Abstandsflächen im Baurecht bergen Konfliktpotenzial
Sanierung, Umbau und Umnutzung können die Berechnung ändern.
Grundsätzlich sind die einzuhaltenden Abstandsflächen zu den Nachbargebäuden im Baurecht klar geregelt. In den jeweiligen Landesbauordnungen wird festgelegt, wie viel Fläche vor den Außenwänden von Gebäuden freizuhalten ist.
Während sich fast bundesweit ein Mindestabstand von 3 Metern durchgesetzt hat, ist die genaue Abstandfläche von der Höhe des Gebäudes und den jeweiligen baurechtlichen Regelungen der Länder abhängig. Es existiert eine bundesweite Musterbauordnung zur Orientierung: Grundlage ist die Wandhöhe (H). Hinzugerechnet wird, mit einem Drittel: die Höhe des Daches bis zu 70% Neigung – ab 70% Neigung wird die volle Dachhöhe berücksichtigt. Von dieser Gesamthöhe aus wird die Abstandsfläche durch einen Faktor berechnet. In NRW z.B. beträgt der Faktor bei Wohn- und Mischgebieten 0,8 H. In Kerngebieten (meist Innenstadtbereich) nur 0,5 H und in Gewerbe- und Industriegebieten sogar lediglich 0,25 H.
Der Architekt kann sich auf die Musterbauordnung nicht verlassen, denn die Länder haben durchaus unterschiedliche Regelungen. Wer mit dem Baurecht nicht in Konflikt geraten möchte erhält Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt für Baurecht. Eine solche Beratung macht schon beim Kauf einer Immobilie Sinn, wenn z.B. bedenkliche Überschreitungen der Abstandsflächen vorliegen. Der bisherige Nachbar toleriert die Situation vielleicht. Aber wird dies später auch bei einem neuen Nachbarn geduldet? Auch beim An- oder Umbau und bei der Sanierung ist Vorsicht geboten: Es kann z.B. ein bestehender Bestandsschutz verloren gehen. Der Verlust einer bisher bestehenden Ausnahmeregelung kann bis zum Rückbau führen – eine kostspielige Angelegenheit.
Baurechtliche Konsequenzen haben oft Maßnahmen, die auf den ersten Blick unscheinbar wirken: Laut dem OVG Nordrhein-Westfalen 20.10.2000 – 7 B 1266/00 führt z.B. die Überdachung einer bereits auf einem Flachdachgebäude vorhandenen Dachterrasse zur Berücksichtigung bei der Bemessung der jeweiligen Außenwand – die Abstandsfläche vergrößert sich.
Auch die Umnutzung einer Grenzgarage zum Wohnraum gibt Anlass zur rechtlichen Beurteilung im Baurecht: Geht das Privileg der Grenzbebauung einer Garage durch die Umnutzung in eine Küche verloren? Ja, sagt in einem Beschluss das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 30.11.2009 – 8 A 10925/09.OVG – Die Ausnahmeregelung der Grenzbebauung gilt nicht für Wohnraum und geht deshalb nicht auf die Umnutzung in eine Küche über.
Abstandsflächen können generell an einen Nachbarn abgetreten werden. Hier befasst sich das Baurecht u.a. mit der Wirkung des Verzichts auf den Rechtsnachfolger – z.B. beim Verkauf der Immobilie. Beachten sollte man im Zuge dessen auch die Höhe des Wertverlustes für das Grundstück, welches mit einer Abtretungserklärung belastet ist. Eine juristische Prüfung der Erklärung im Vorfeld ist in jedem Fall sinnvoll.
Aber nicht nur die Abstandsflächen von Gebäuden bieten Anlass für Streitfälle. Bäume und Büsche besitzen bekanntermaßen ebenfalls festgelegte Abstände zur Grundstücksgrenze und sorgen regelmäßig für Auseinandersetzungen. Das Landgericht Coburg musste sich jüngst mit der Frage auseinandersetzen, ob das nachbarliche Elefantengras, welches näher als 2 Meter zur Grenze stand, eine Brandgefahr darstellt und entfernt werden müsse. Ohne Erfolg entschied das Gericht: U.a. weil Elefantengras nämlich weder Busch noch Baum ist, sondern Staudengewächs. Die Grenzabstandsvorschriften gelten für Stauden nicht. Auch das Sonnenlicht – ein beliebter Streitpunkt bei pflanzlichen Abstandsquerelen – wurde dem Kläger durch die nördliche Lage nicht genommen. Landgericht Coburg, Beschluss vom 27.07.2009 – 32 S 23/09 –
Die Urteile zum Thema Abstandsflächen variieren durch die unterschiedlichen Gesetzgebungen von Bundesland zu Bundesland. Das Konfliktpotenzial bleibt dagegen konstant.