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22. Dezember 2010

Harter Winter – Wann sind Bauzeitverzögerungen rechtmäßig?

Schlechtwetter = Baustopp. Wann ist eigentlich juristisch gesehen Schlechtwetter?

Winter 2010 / 2011. Die ersten Schneefälle und Rekord-Minus-Temperaturen sorgen auf Baustellen für ein altbekanntes Phänomen, welches nicht selten in einem ausgedehnten Rechtsstreit mündet: Schlechtwetter = Baustopp. Der Bauunternehmer oder der Handwerksbetrieb berufen sich auf das Wetter, welches es unmöglich mache weiterzuarbeiten. Der Bauherr besteht auf Erfüllung des Vertrages.

Wann ist eigentlich juristisch gesehen Schlechtwetter?

Bauzeitverzögerungen sind, entgegen der landläufigen Meinung, recht eindeutig geregelt.

Durch höhere Gewalt oder andere für den Auftragnehmer unabwendbare Umstände.

Das ist ein Grund für eine Bauzeitverzögerung. Dagegen im selben Paragraphen:

Witterungseinflüsse während der Ausführungszeit, mit denen bei Abgabe des Angebots normalerweise gerechnet werden musste, gelten nicht als Behinderung.

Ein Angebot, für diesen Winter erstellt, hat schon einmal die Ankündigungen eines strengen Winters mitzuberücksichtigen? Ja, wenn die Vorzeichen bei Angebotsabgabe für Jedermann erkennbar waren. Doch hier ist sicherlich Interpretationsspielraum gegeben. Viel einfacher ist die Frage nach dem schlechten Wetter, und wann dieses Grund für eine Bauzeitverzögerung sein kann, zu beantworten.

Erstens: Der Winter muss grundsätzlich mitberücksichtigt werden.

Zweitens: Nur besondere „unabwendbare Umstände“ und die schon erwähnte „höhere Gewalt“ lassen laut VOB/B § 6 einen gerechtfertigten Baustopp zu. Als Bauunternehmer hat man deshalb auch bei relativ schlechtem Wetter noch keinen Anspruch auf eine Verlängerung der Bauzeit. Der Bau muss trotz Schnee und Eis im Winter fristgerecht fertiggestellt werden.

Die Arbeitsgemeinschaft Baurecht gibt dazu beispielhafte Gerichtsurteile:

Der Bundesgerichtshof hat bereits 1973 ein Urteil zum „Schlechtwetter“ gefällt, auf welches sich der Bauunternehmer berufen könnte: (BGH, Urteil vom 12.07.1973 – VII ZR 196/72).

Dabei haben die Richter folgende Vorgaben gemacht:

Als besonderes Witterungsereignis gilt eine tägliche Niederschlagsmenge von 64 Millimeter pro Quadratmeter, wenn die maximale durchschnittliche Niederschlagsmenge bei 40 bis 50 Millimeter pro Quadratmeter am Tag liegt.

Auch lang anhaltende Kältewellen im Winter zählen zu diesen besonderen Witterungsereignissen. Der Winter 1978/79 in Norddeutschland, der ungewöhnlich starke Eisregen 1978 oder der strenge Winter 1995/96 zählen dazu.

Ungewöhnliche Wetterereignisse, die zu einem Einstellen der Arbeiten berechtigen sind also sehr selten. Maßstab und Grundlage der Gerichtsbarkeit ist in der Regel das durchschnittliche Wetter in den letzten 10 Jahren laut Wetterdienst.

Doch die Auseinandersetzungen lassen sich in der Regel vermeiden: Grundsätzlich sollte ein Vertrag seitens eines Anwalts für Baurecht Grundlage der zu erbringenden Bauleistungen sein. Dabei lässt sich eine detaillierte vertragliche Festlegung, ab welchen Temperaturen, Windstärken und Niederschlagsmengen eine Einstellung der Arbeiten rechtens ist, mitberücksichtigen.

In jedem Fall gilt: Der Bauunternehmer muss den Bauherrn unverzüglich und schriftlich darüber informieren, wenn er wegen der Witterung nicht weiter arbeiten kann. Und er muss die Arbeiten unverzüglich fortsetzen, sobald es das Wetter wieder zulässt.